BS-Geschichte - Teil 5
Michael Unterberger
Teil 5: Hightech und Traditionelle
Anfang der 70er wurde Bogenschießen wieder olympisch und der Compoundbogen begann seinen Siegeszug. Hightech war angesagt, doch auch die „Traditionellen“ kehrten zurück. Nun der letzte Teil meiner Suche.
Bereits Ende der 60er Jahre begann die Geschichte des „Bogen mit Zugkraft verstärkendem Zubehör“ (kurz Compound) und Namen wie Dr. Lapp, Allen und Jennings sind mit der neuen Art des Bogens tief verbunden. Peter Stecher brachte im Heft 2/12 bereits einen Artikel darüber, weshalb ich hier nicht genauer darauf eingehen werde. Zunächst setzte sich der Compound mit runden Rollen und Achsen außerhalb des Zentrums (Excentrics) durch, da sich diese Bauart als stabiler herausstellte. Dennoch waren die kreuzenden Sehnen oder Kabel zunächst zu weit in der Mitte, weshalb die Pfeile regelmäßig anschlugen. Als mögliche Lösung wurden 1967 daher zwei zusätzliche „Idler Wheels“ (kleine Rollen in der Mitte der Wurfarme) angebracht, die die Kabel aus der Mitte lenkten (sogenannte Multi-Wheels Compounds). Bei jenen mit nur zwei Rollen spricht man von Two-Wheels Compounds.
Doch entscheidend für seinen Erfolg war die Zulassung und Anwendung bei der Bogenjagd. Zunächst verboten jedoch Jagdgesetze in vielen Bundesstaaten der USA den Einsatz dieses „mechanischen Geräts“. Der Compound zeigte bald seine technische Überlegenheit und 1971 wurde in der letzten Abstimmung der NFAA, an der ALLE Mitglieder teilnahmen, darüber abgestimmt, ob der Compound bzw. das mechanische Release erlaubt werden sollte. Obwohl es damals mehr!!! Recurve-Schützen gab als Compounder, wurde der Bogen zugelassen. Dies veränderte (und teilte) schlagartig die Bogenwelt und der Compound setzte sich innerhalb weniger Jahre in den USA durch (heute 95% Marktanteil).
Im Jahr 1972 wird Bogenschießen wieder olympisch (allerdings mit dem Recurve), die Archery Hall of Fame (AHF) wird gegründet und Doug Easton stirbt 50 Jahre nach seiner Firmengründung. Da die P.A.A. im Gegensatz zur NFAA, die Compound-Bögen verbietet, gründet 1973 die NFAA eine eigene Professional Division (NFAA Pro), um Bogenschützen auch mit "illegaler" Ausrüstung den Geldverdienst zu ermöglichen. Neue Bögen mit unterschiedlichen Ausrüstungen, sowie den Status Profi, Open (Semi-Profi) und Amateure ließ die Bogenklassen explodieren. In den 70er Jahren gab es auch Pro-BB und Pro-BH, die später jedoch wieder eingestellt wurden. Übrig blieb Freestyle und Freestyle limited mit und ohne mech. Release. Für die P.A.A. bedeutete ihre Entscheidung, keinen Compound zuzulassen, jedoch 1974 das Ende.
Auch in der Bogenjagd tat sich etwas und bis 1976 war der Compound bis auf Georgia zugelassen. 1975 hatte die NFAA das "NFAA Bowhunter Education and Certification Program" geschaffen, welches 1979 in NBEF umgewandelt und von ihrer Mutterorganisation unabhängig wurde. Im Logo sieht man auch heute noch den Baumstumpf der NFAA. Heute ist dieses auch europäischen Bogenjägern bekannt unter der Bezeichnung I.B.E.P. und dient als international anerkannte Ausbildung für Bogenjäger.
Doch die 70er Jahre brachten noch andere Compound-Designs auf den Markt, zwei davon stammen von Martin Archery. Zum einen der „Cam-Act“ von 1974, der 1976 vom „Dynabo“ abgelöst wurde. Der Mittelteil des Cam-Act bestand aus zwei starren, metallischen Armen mit zwei Cams zum Schützen hin. Leicht nach vorne gab es laminierte Wurfarme und die Sehne verlief von den Wurfarmen über die Cams der starren Arme. Mit 4 kg war der Bogen relativ schwer und konnte sich nur kurze Zeit behaupten. Der Dynabo gilt als erster Single-Cam und besaß nur einen arbeitenden Wurfarm und einen Cam. Ende der 80er Jahre war dieses Design verschwunden.
1971 wurde PSE (Precision Shooting Equipment) gegründet, Darton Archery, obwohl schon 1950 gegründet, wurde erst in der Zeit richtig bekannt, und Hoyt Archery wurde 1978 verkauft und von Easton übernommen. Im gleichen Jahr wanderte Bear Archery nach einem Mitarbeiter-Streik mit seiner Bogenherstellung in das klimatisch günstigere Florida ab, wo die Firma noch heute ist.
Die 80er Jahre – Hightech & Traditionelle
Bis Mitte der 80er Jahre war vieles am Compound noch „traditionell“, Mittelstück aus Holz und geschossen wurde auf der Jagd häufig „instinctiv“. Nun begann jedoch das Hightech-Zeitalter. So manch einer experimentierte herum. John Islas brachte 1982 einen „eigenwilligen“ Compound heraus, dessen Design bis heute überlebt hat, den „Oneida Eagle“. Zur gleichen Zeit wurden statt der exzentrischen Rollen (Round Wheels) am Ende der Wurfarme verstärkt idente Cams (Twin oder Double Cams) verwendet, wie man es schon von Allens Patent her kannte. Während Rollen den Bogen leicht tunen und schießen ließen, speicherten Cams mehr Energie und brachten den Pfeil auf eine höhere Geschwindigkeit. Zu einem perfekten geraden Pfeilschub war es allerdings notwendig, die beiden Cams zu synchronisieren. Der Wartungsaufwand wurde sehr groß und man suchte nach Lösungen. 1983 kam es zu einer Schlammschlacht zwischen Jennings und der Allen Corporation (Allen war bereits 1979 gestorben), in deren Folge Jennings Archery von Bear Archery übernommen und Tom Jennings als Entwickler eingesetzt wurde. Der Jennings „Unistar“ war der erste Versuch, das Problem mit der Synchronisation zu lösen. Die beiden Cams wurden Rücken an Rücken befestigt („Unicams“) und unterhalb des Griffs am Mittelteil montiert, wobei an den Wurfarmenden zwei runde zentrische Räder (Idler Wheels) saßen.
Fred Bear starb 1988 und Earl Hoyt Jr. gründete die Bogenfirma Sky Archery. Aber es entstanden auch andere heute bekannte Firmen, 1981 High Country Archery (HCA), 1984 Nationwide Archery (seit 2003 besser bekannt unter Parker Archery) und 1988 Alpine Archery. Die letzte war es, die 1990 den ersten CNC-gefertigten Aluminiumgriff anfertigte. Auf der Suche nach neuen Konzepten stellt Easton 1983 den Aluminium-Carbon-Pfeil (A/C-Technologie) vor, bei dem ein dünnwandiges Aluminiumrohr mit leichtem Carbon ummantelt wird. Der Pfeil kam im Jahr darauf bei den olympischen Spielen zum Einsatz und gewann sofort eine Medaille. Mit dem A/C/C wird ein schnellerer und genauerer Pfeil für die Bogenjagd entwickelt und vier Jahre später folgte der A/C/E.
Jede Hightech-Bewegung bringt auch die Rückbesinnung auf alte Werte und so auch beim Bogensport. Viele Bogenschützen wechselten wieder von den technisch sehr aufwendigen Bögen zu Langbogen und Jagdrecurve. 1985 kehren die "Traditionals" in die NFAA zurück. Einen wohl wesentlichen Einfluss hatte Jay Massey, selbst Bogenjäger, der seine Geschichten mit Langbogen und Recurve in Zeitschriften veröffentlichte. Mit seinem Buch „The Bowyers´s Craft“ weckte er bei vielen wieder die Sehnsucht nach den alten Bögen. Es folgen auch von anderen weitere Bücher und nach einem Briefwechsel zwischen Bogenbauern entstand die mehrteilige "Traditional Bowyers Bible". Es folgte G. Fred Asbell mit seinem Buch "Instinctive Shooting" und die Zeitschriften „Traditional Bowhunter“ (seit 1989) und „Primitive Archer“ (seit 1992) wurden gegründet.
Wann das 3-D-Bogenschießen jedoch begonnen hat, kann kaum einer sagen. Fred Bear hatte bereits in den 30er Jahren in seinem Verein „Oscar“ aufgestellt, ein sich bewegender, dreidimensionaler, mechanischer Hirsch. Einige Bogenjäger übten schon länger auf selbst gebauten 2-D-Attrappen. 1973 gab es beim NFAA Aurora Outdoor National einen 3-D-Hirsch auf den geschossen werden konnte und 1990 brachte dann McKenzie, als einer der ersten, serienmäßig 3-D-Ziele heraus. 1984 war die International Bowhunting Organization (IBO) gegründet worden und war zunächst als Dachorganisation für Bogenjäger gedacht. Die Organisation gab Standards heraus und schuf eine neue Runde auf unbekannte Entfernungen und Wettbewerbe auf 3-D-Ziele. Bereits 1989 gab es die erste IBO-Weltmeisterschaft. Zwei Jahre später veranstaltet auch die NFAA ihr erstes 3-D-Turnier und die IFAA bot 2001 und 2006 einen reinen 3-D-WC an.
Die Jagdgesetze wurden immer liberaler und die Anzahl der Bogenjäger stieg, während die der Gewehrjäger kontinuierlich zurückgingen. 1986 begann die PBS sich massiv gegen den Einsatz von den verstärkt aufkommenden Crossbow in der Bogenjagdsaison einzusetzen, was ihr etwa 20 Jahre gelang.
Die 90er Jahre: Solo & Hybrid Cam und 3-D
1992 gründete Matt McPherson Mathews Inc., nachdem er mit seinem Bruder Randy bereits von 1985-89 McPherson Archery geführt hatte. Matt entwickelte 1992 den Solo Cam (Single Cam) und verkaufte die Patentrechte an Bear Archery. Eine weitere Lösung des Synchronisationsproblems des Double Cams ist der Hybrid Cam. Dieser wurde 1996 von Rex Darlington (Darton Archery) als C/P/S-Cam-System entwickelt. Die Bögen haben zwei asymmetrische, ovale Cams. Die ursprüngliche Idee stammt jedoch von Loyd S. Napier mit zwei unterschiedlich großen Wheels, wobei das obere größer war als das untere. Mathews Inc. führte 1996 auch die parallelen Wurfarme ein, die sich hauptsächlich nach oben und unten bewegen. Der Vorteil ist ein ruhigerer Bogen, der nicht nach vorne „springt“, sodass sich die Kräfte in der Waagrechten fast neutralisieren. Der Nachteil ist die kurze Bauweise (kurzer Achsen-Abstand), der nur mehr ein mechanisches Release zulässt, da die Finger sonst eingezwickt würden. 1995 kaufte Easton die französische Firma Beman S.A., die erste Firma, die reine Carbonpfeile herstellte und brachte 1996 selbst den X10 heraus.
Bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona entzündete der zweimalige Paralympic-Sieger Antonio Rebello mit einem geschossenen brennenden Pfeil das olympische Feuer. Seit dieser Olympiade wird die Olympic Round geschossen, eine Idee des damaligen FITA-Präsidenten Jim Easton. Und im Jahr darauf wurde die Archery Shooters Association (ASA), ein reiner 3-D-Verband, gegründet. Dieser Verband besitzt relativ wenig Bogenklassen, allerdings auf unterschiedlichem Leistungsniveau. Seit diesem Zeitpunkt haben NFAA, IBO und ASA professionelle Bogenklassen ausschließlich im Bereich der Compoundschützen. 1995 ist es erstmals soweit, auch die FITA ließ den Compound bei Weltmeisterschaften zu (bei Feld seit 1990).
Neben der FITA entstehen auch bei der IFAA nationale Verbände. Der DFBV entstand bereits 1981 nach der Veranstaltung der Weltmeisterschaft im eigenen Land und auch in Österreich wurde 1997 ein eigener Verband gegründet. Mit der AFAA (Austrian Field Archery Assn.) war es 1999 erstmals möglich, dass Österreicher in einem eigenen Verband bei der IFAA mitschießen konnten. Der von Dietmar Vorderegger gegründete Verband wurde 2001 wieder aufgelassen, nachdem dieser Vizepräsident des ÖBSV wurde und der ÖBSV wurde nationaler Vertreter bei der IFAA. 1995 wurde ein weiterer Verband gegründet, der ausschließlich auf 3-D ausgerichtet ist, die AAA3D (Austrian Archery Association) mit dem europäischen Dachverband EAA. Mittlerweile wurde die EAA durch die HDA-IAA mit Sitz in Ungarn ersetzt und spielt eine kleinere Rolle in der österreichischen Bogenwelt.
Doug Walker gründete 1990 in Kalifornien die Bowhunter Hall of Fame (BHF) und im gleichen Jahr gelingt Chuck Adams als Erster der „Super Slam“, indem er alle der damals 27 (später 28) Tierarten für ein Big Game in Nordamerika schoss. Auch wenn es immer wieder kritische Stimmen über seine Jagdmethoden gibt, gilt er als einer der meist respektierten professionellen Jäger der Welt. 1993 kommt es zur Legalisierung der Bogenjagd in Ungarn und bereits im Jahr darauf, wurde die BFA-Österreichische Bogenjäger gegründet. Bereits zwei Jahre davor der BFS in der Schweiz und 1999 der DBJV.
Das neue Jahrtausend – Binary Cams & ...
2001 wird Easton von der 3. Generation übernommen. Greg Easton ist, wie bereits sein Vater und Großvater, ein begeisterter Bogenjäger und Bogenschütze. 2004 bringt er einen neuen Pfeil heraus, den AXIS. Einen reinen Jagdpfeil mit kleinerem Durchmesser und dickerer Wandstärke. Obwohl der Durchmesser kleiner wurde, wurde die Durchschlagskraft gesteigert. Diese neue Technologie wird als Slim Technology (ST) bezeichnet. Viele betrachten diese neue technische Innovation als die größte seit Einführung der Aluminiumpfeile. Neu ist seit 2007 auch die Full Metal Jacket-Bauweise (FMJ), dabei wird ein Carbonpfeil mit Aluminium ummantelt. Zu den neuen Bogenfirmen am Markt zählen Bowtech (2000) & Diamond (seit 2004 bei Bowtech), Prime G5 (2000) und Elite Archery (2005).
Doch auch die Bogentechnik entwickelt sich weiter. 2005 bringt Bowtech den Compound mit „Binary Cams“ auf den Markt. Ursprünglich wurde diese Innovation auch von Rex Darlington (Darton Archery) patentiert, ohne selber einen Bogen mit dieser Technologie herauszubringen. Eine weitere Neuerung bringen 2007 Bowtech, PSE und Mathews heraus, die Twin Limbs (Split Limbs), im Gegensatz zu den bis dahin üblichen Solid Limbs.
FITA bietet eine neue Bogenkategorie an, Ski Archery. Diese Mischung aus Bogenschießen und Langlauf wurde bereits in den 80er Jahren in Italien wach gerufen. 1991 wird es ins FITA Programm aufgenommen. Von 2002 bis 2005 gingen die FITA und IBU (Biathlonverband) eine Partnerschaft ein und die Meisterschaft wurde von der IBU ausgetragen. 2007 fand die letzte WM und 2008 die letzte EM statt. Die Sommervariante ist seit 2003 im Programm, Run Archery. Allerdings sollte es nur 2004 und 2005 eine EM geben. Die dritte Neuerung, uns allen bekannt, ist die 3-D-Runde. Gemeinsam mit der IBO arbeitete die FITA im Rahmen vom "3D International" (3DI) an einer eigenen 3-D-Runde. Im Juli 2002 wurde eine Mischung aus IBO Regeln und FITA Feldregeln präsentiert. 2003 gab es mit 20 Zielen (Wertung: 10/8/5 (IBO)) die erste FITA-3-D-WM in Frankreich und diese wird seither alle zwei Jahre durchgeführt. Seit 2007 wird diese nur mehr als 3-D bezeichnet, da die FITA die Zusammenarbeit mit der IBO aufkündigte. Ab diesem Zeitpunkt gab es 24 Ziele wie beim Feldbogensport.
2005 bringt die FITA das „Entry Level Archery Program“ mit den Bogenpfeilprüfungen heraus und die IFAA benennt den Classical Bow in Historical Bow um. Und Tony Goodwin und Steve Kendrick erschaffen 2007 die European Pro Archery, die seit 2009 eine „kleine“ Feldbogen-Serie schießen. 2011 wird die FITA zur WA.
Die Zukunft
Meine Hochachtung für jede Bogenschützin, jeden Bogenschützen, jede Bogentechnik und Bogenausrüstung. Ich blicke voll stolz auf jene zurück, die den Sport zu dem gemacht haben, was er heute ist. Was die Zukunft betrifft, man wird sehen was sie bringen wird, aber eines traue ich mir nach meinem Ausflug in die Geschichte zu sagen, alles wiederholt sich. Wenn mich jemand fragen sollte, was ich glaube, welches Design in den nächsten Jahren einen großen Einfluss auf den amerikanischen Bogenmarkt und damit auf die Bogenwelt haben wird, so würde ich es wagen zu sagen - der „horizontale Bogen“.