Was ist trad. Bogenschießen?
Das Traditionelles Bogenschießen ist die jüngste Bogensportdisziplin. Das moderne Bogenschießen hat Anfang des 20. Jahrhunderts begonnen. Die Bögen haben sich seit dieser Zeit immer weiterentwickelt. Ausgehend vom ursprünglichen Englischen Langbogen, versuchte man immer bessere Bögen zu bauen. Am Ende standen dann hochpräzise Recurvebögen und ab den 1970er-Jahren auch noch wesentlich präzisere Compoundbögen. Dieser Umstand, dass es immer moderner, leistungsfähiger und schneller sein musste, veranlasste viele Bogenschützen, zu den Wurzeln des Bogenschießens zurückzukehren. Anfang der 1980er-Jahre entdeckte man wieder die Lang- und Recurvebögen von Howard Hill und Fred Bear und nannte die Sache „Traditional Archery“.
Spricht man von Tradition, so sollte diese ja eigentlich von irgendwo herkommen. In diesem Zusammenhang bezieht sich der Begriff „Tradition“ nicht auf eine historische Tradition. Weder Engländer noch Asiaten geben hier das Vorbild ab. Nur die Form des Langbogens und des Recurvebogens erinnern an englische und asiatische Vorbilder. Es ist genau betrachtet eigentlich eine neue Tradition, die Tradition des 20. Jahrhunderts. In den 196oer-Jahren, als hierzulande viele anfingen Bogen zu schießen, gab es noch keinen Ausdruck wie „traditionell“. Damals war der Compoundbogen noch nicht erfunden und daher war auch keine allzu große Differenzierung notwendig. Die Bezeichnung „traditionell“ beinhaltet also, dass es auch so etwas wie „nicht-traditionell“ geben muss. Mit dem Compoundbogen und den Visierbögen ist das gegeben. Man grenzt also bei der Definition eher aus, als dass man traditionelles Bogenschießen selbst genau definiert.
Traditionelles Bogenschießen ist also nicht eine Sache der Materialien, die verwendet werden. Es ist vielmehr eine Sache der Form des Bogens und der Art, wie man ihn schießt. In den vergangenen Jahrhunderten haben Bogenbauer ja auch immer die besten Werkstoffe verwendet, um leistungsfähige Bögen zu bauen. War es früher Leim aus Knochen und Ähnlichem, so ist es nun eben Epoxy. Und heute ist es nicht viel anders. Auch in diesem Segment versucht man immer besseres und leistungsfähigeres Material zu verwenden.
Der traditionelle Bogensport bzw. das traditionelle Bogenschießen haben in den letzten 15 Jahren die Entwicklung durchgemacht, die das Bogenschießen insgesamt in den letzten 100 Jahren hatte. Heute werden traditionelle Bögen mit Hightech-Materialien gebaut, es wird das Bogendesign weiterentwickelt, um die Geschwindigkeit zu erhöhen, und bei den Pfeilen haben längst hochwertige Carbon-Pfeile die Masse der Bogenschützen erreicht.
Es gibt aber keine wirkliche Definition, vielleicht, weil jeder seine eigene hat. Trotzdem soll hier der Versuch einer Definition gewagt werden: Compoundbögen und Bögen mit Visieren oder Ausziehhilfen bezeichne ich hier als Sportbögen, auch wenn sie in der „nichttraditionellen“ Fachwelt evtl. anders bezeichnet werden. Alle anderen Bögen, die ohne Rollen und ohne Visiere auskommen und mit der richtigen Schusstechnik geschossen werden, können unter den Oberbegriff „traditionelles Bogenschießen“ zusammengefasst werden. So gehören alle Selfbow (auch Historical Bow oder Primitive Bow genannt), alle Arten von Langbögen und alle Recurvebögen dazu.
Es wird Sie verwundern, aber ich zähle auch Hightech-Recurves zu den Bögen, die traditionell geschossen werden können. Das Argument, dass ein Bogen mit rotem Aluminium-Griffstück doch nicht traditionell sein könne, halte ich entgegen, dass auch ein Langbogen mit Glasauflage und Carboneinlage außer dem Holz wohl nichts Traditionelles – zumindest nicht einer historischen Tradition folgend – hat. Es wird dem Leser vielleicht auch auffallen, dass der Hightech-Recurve sowohl in der Gruppe der traditionellen Bögen als auch in der Gruppe der Sportbögen auftaucht. „Traditionelle Bögen“ werden in einer bestimmten Art und Weise geschossen. Am Bogen darf es keine Visiereinrichtungen geben und der Pfeil muss beim Schuss mindestens mit einem Finger berührt werden. Dieser Bogen kann mit der richtigen Schusstechnik sowohl einmal als Bowhunter Recurve (nach den Regeln der IFAA – International Field Archery Association) geschossen werden, mit einer anderen Schusstechnik fällt er aber in die Klasse Barebow oder Blankbogen (nach den Regeln der Verbände FITA – Fédération Internationale de Tir à l'Arc, und der IFAA).
Traditionelles Bogenschießen kann als reines Freizeitvergnügen verstanden werden, es kann aber auch sehr aufwändig und ernsthaft betrieben werden. Wer sich dazu entschlossen hat, gut schießen zu lernen, wird viel Zeit und Arbeit investieren müssen, um ein bestimmtes Niveau erreichen zu können. Es kann oft ein mühsamer und frustrierender Weg sein.
Die Frage, die man sich also zu allererst stellen muss, ist, welchen Bogen man schießen will. Ein technischer Recurve erleichtert die Sache am Anfang sicher. Wer sich für den Langbogen entschieden hat, wird es schon schwerer haben, und wer gleich mit einem einfachen Selfbow startet, wird unter Umständen noch weniger Erfolgserlebnisse haben. Eines darf man aber auch nicht vergessen: Alle genannten Bögen sind nicht miteinander vergleichbar. Wenn also der Vereinskollege mit einem Hightech-Recurve besser schießt, als Sie mit Ihrem selbstgeschnitzten Selfbow, ist das ganz normal. Man muss sich mit der jeweiligen Bogenklasse vergleichen; und dann wirkt die Sache schon wieder freundlicher.
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